George H.W. Bush: Monster mit Maske

Wir sind uns einiges gewohnt vom medialen Mainstream, insbesondere, wenn es um internationale Themen geht. Trotzdem hat mich die Berichterstattung zum Tod von George H.W. Bush schockiert. Kaum ein negatives Wort war in der Schweizer Presse über den 41. Präsidenten der USA zu lesen. Kaum ein negatives Wort über einen Mann, der ganze Regionen destabilisiert hat und für den Tod hunderttausender Menschen verantwortlich ist. Kaum ein negatives Wort über einen der grössten Kriegsverbrecher unserer Zeit (1, 2, 3, 4).

Wir erleben einen Whitewash, wie ich ihn noch selten gesehen habe – nicht nur in den USA, auch hier. Dieselben Schweizer Medien, die sich beispielsweise im Kampf gegen die Selbstbestimmungsinitiative mit Vehemenz für Menschenrechte stark gemacht haben, loben einen Mann, der ebendiese Menschenrechte verletzt hat wie nur wenige andere. Sie loben ihn für seinen angenehmen Ton und seine Besonnenheit im Umgang mit Europa. Eine Berichterstattung, die man angesichts dessen, was Bush dem Rest der Welt angetan hat, nur als obszön bezeichnen kann.

Wie ist es möglich, dass Journalisten, die sich (zurecht!) über jede Menschenrechtsverletzung der Assads, Gaddafis und Putins dieser Welt empören, immer dann beide Augen zudrücken, wenn es um die USA geht? Sind sie schlecht informiert oder ist es ihnen im Fall der USA schlicht egal?

Offensichtlich ist: Ein durch die USA verursachter Toter ist kein normaler Toter. Wir Westeuropäer haben die Mär vom amerikanischen Exzeptionalismus quasi mit der Muttermilch eingeflösst erhalten. Wir haben ein Leben lang amerikanische Heldenfilme gesehen. Ein Leben lang ist uns von unseren Vorgängern im Journalismus eingetrichtert worden, dass da drüben in Amerika das Gute hockt. Die meisten von uns sind deshalb überzeugt: Wenn die Guten entführen, foltern und töten, werden sie ihre Gründe haben.

17 Jahre, x-Kriege, x-Menschenrechtsverletzungen und x-Regime Changes nach 9/11 muss man feststellen: Selbst grauenhafte Verbrechen scheinen den Blick auf die «Shining City upon a hill» nicht klarer zu machen. Bei Gelegenheiten wie dem Tod Bushs serviert uns der Mainstream eine hässliche Sosse aus Pathos, Ignoranz und bodenloser Dummheit. 

Die Perversion europäischer US-Bewunderung illustriert sich besonders schön am Beispiel Donald Trumps. Stören sich europäische Journalisten daran, dass Trump das Drohnenprogramm Barack Obamas intensiviert und die kriegerischen Aktivitäten ausgeweitet hat? Stören sie sich daran, dass Trump wesentlich dazu beiträgt, im Jemen Tausende verhungern zu lassen? Kaum, sie stören sich vornehmlich an seinen Umgangsformen, seinem Ton. Sie stören sich daran, dass er die Verbrechen nicht mehr so schön verpackt wie seine Vorgänger im Weissen Haus. Sie stören sich daran, dass Trump dem Monster USA die Maske vom Gesicht reisst. 

Im Falle George H.W. Bushs kann der westeuropäische Mainstream dagegen ungeniert seiner US-Liebe frönen. Denn Bush hat im Umgang mit uns die Maske getragen – er hat gelächelt und gewinkt, während er in anderen Teilen der Welt Hunderttausende getötet hat.

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