Mit Blindheit geschlagen

Die US-Gläubigkeit vieler westlicher Journalisten ist bisweilen schlicht lächerlich. Ein besonders bizarres Beispiel liefert uns Alain Zucker, Leiter des Hintergrund- und Reporterteams des Tages-Anzeigers, mit seinem Kommentar zur Lieferung von «Swiss»-Reisedaten an die USA und Russland.

Zucker schreibt:

Jetzt wollen auch die Russen von der Swiss die Daten ihrer Passagiere – genauso wie vor ihnen die Amerikaner. Denen liefern die Airlines seit einiger Zeit bei der Einreise oder beim Überfliegen ihres Territoriums alle möglichen Daten.

Unschön.

Erstens ist es ärgerlich genug, dass die USA die Macht haben, Airlines dazu zu zwingen, auch Daten zu liefern, die nicht zwingend erscheinen für ihre Terrorbekämpfung – etwa bei Passagieren, die das Land nur überfliegen.

Das stimmt. Aber:

Zweitens ist die Datenlieferung in die USA sicherlich weniger bedenklich als jene nach Russland.

So, so. Begründung bitte?

Bei allem überrissenen Überwachungseifer der NSA sind die USA immer noch ein demokratischer Rechtsstaat, was man von Putins Russland nicht behaupten kann. Dort werden gemäss Medienberichten die für fünf Jahre gespeicherten Informationen mit Datenbanken der Polizei und der Geheimdienste abgeglichen – Organisationen, die für ihre Willkür bekannt sind.

Ob solcher «Argumente» macht sich Ratlosigkeit breit. Wie kann man ein Land, das völkerrechtswidrige Kriege führt, das Angehörige anderer Staaten kidnappt, jahrelang ohne Prozess festhält, foltert oder gar umbringt, als «demokratischen Rechtsstaat» bezeichnen? Wie kann man allen Ernstes davon ausgehen, die an die USA gelieferten Daten würden nicht mit Datenbanken der Polizei und der Geheimdienste abgeglichen? Wie kann man glauben, US-Polizei und US-Geheimdienste seien nicht zu Willkür fähig?

Bei allem Respekt, Herr Zucker: Wie kann man so blind sein?

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