9/11: Gefangen im Meinungskorridor

25 Jahre Internet haben deutliche Spuren hinterlassen ­– auch bezüglich Diskussionskultur. Der Korridor der erlaubten Meinungen wird enger und enger, insbesondere bei Medienschaffenden. Ganz besonders spürbar ist das im Diskurs um 9/11.

Seit 25 Jahren sind wir online. Kaum eine Erfindung dürfte das menschliche Leben in unseren Breitengraden so schnell und so drastisch verändert haben, wie das Internet. Die Möglichkeiten scheinen unendlich.

Schöne Aussichten, möchte man meinen. Doch die negativen Aspekte sind fast ebenso zahlreich. So hat sich beispielsweise die Meinungsbildung extrem verkompliziert. Heute stehen uns, gerade zu internationalen Themen, Dutzende von Berichten, Analysen, Aussagen usw. zur Verfügung. Die Aufgabe, aus der Vielzahl an Quellen herauszufiltern, was wichtig und möglicherweise sogar richtig ist, ist eine Herausforderung – zeitlich und intellektuell.

Die Vielfalt, die uns aus dem Internet entgegenschlägt, hat deshalb bei vielen nicht zu einer fundierten Meinung, sondern bloss zu einer Verfestigung der vorgefassten Meinung geführt. Jeder findet mit wenigen Klicks, was in sein Weltbild passt. Viele bewegen sich nur noch in jenen Kreisen bzw. auf jenen Websites, die ihnen entsprechen. Sie hinterfragen ihre Haltung weniger als früher, obwohl es nie einfacher war, dies zu tun.

Der Korridor wird enger

Das gilt auch für Medienschaffende. Um zu verstehen, wie dies möglich ist, gilt es, sich kurz mit den Journalisten von heute zu befassen. Kurt W. Zimmermann, Chefredaktor des «Schweizer Journalist», hat in einem Interview mit der «Medienwoche» auf die Frage «Wie tickt denn so ein durchschnittlicher Journalist?» gesagt:

Sein Problem ist, dass er im luftleeren Raum agiert. Wenn das Publikum bei einem Zirkusclown klatscht, dann ist der Witz gelungen. Wenn das Publikum pfeift, dann hat er die Pointe versaut. Die Journalisten dagegen kennen ihr Publikum nicht. Sie wissen nicht, ob ihre Artikel gut oder schlecht ankommen. Die Bestätigung, dass sie einen guten Job machen, erhalten sie in der Regel nicht vom Publikum, denn die Feedbacks auf den Websites und die Leserbriefe sind meistens untauglich. Also brauchen sie die Bestätigung von den Kollegen, von den Vorgesetzten und aus dem Bekanntenkreis.

Das ist natürlich wenig förderlich. Es entsteht ein Problem, das der österreichische Journalist und Schriftsteller Robert Misik wie folgt beschrieben hat (1, 2):

Es gibt womöglich so etwas wie einen Korridor der erlaubten Meinungen, innerhalb dessen die «ernstzunehmenden» Urteile verortet sind.

(…)

Wer sich ausserhalb dieses Korridors positioniert, kann einen hübschen Haufen Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ja er wird es womöglich sogar zu einer grossen Nummer im Medienbusiness bringen, wird aber immer mit einem Bein eine Lachnummer sein. Man wird ihn Quergeist nennen oder Spinner. Es gibt eine feine, unsichtbare, aber stets zu beachtende Linie, innerhalb deren sich die «ernsthaften» Positionen bewegen.

Dieser Korridor ist das Problem. Definiert wird er nur in Ausnahmefällen in den Chefetagen von Verlagen und Redaktionen, definiert wird er vor allem in den Köpfen von Medienschaffenden. Viele Journalisten kritisieren gerne, scheuen aber gleichzeitig Kritik an sich selbst und an eigenen Texten wie der Teufel das Weihwasser. Sie fürchten um ihren Ruf unter Berufskollegen, verbieten sich deshalb selbstständiges Denken. Sie weigern sich, die Vielfalt an Informationen zu nutzen und sich eine breit abgestützte Meinung zu bilden. Denn diese könnte nicht dem Mainstream entsprechen.

So ist der Korridor der erlaubten Meinungen in Zeiten des Internets enger geworden. Viele haben die Vorgabe, sich nicht aus dem Fenster lehnen zu dürfen, derart verinnerlicht, dass sie das Fenster inzwischen geschlossen haben und den Blick nach draussen verweigern. Es geht immer weniger um Diskussion und Reflexion, immer häufiger um Verteidigung der eigenen Position und Ausgrenzung jener, die das Thema anders sehen. Vieles ist zur reinen Glaubensfrage geworden.

Diskussion unmöglich

Die Mutter aller Glaubensfragen unter Journalisten sind die Terroranschläge vom 11. September 2001, die sich heute zum 15. Mal jähren. Entweder gehörst du zu den Zweiflern oder zu den anderen. Letztere sind in der deutlichen Mehrheit, Erstere gelten als Spinner. Und weil Letztere in ihrer Mehrheit genau wissen, dass sie bezüglich 9/11 eigentlich nichts wissen und das dringend ändern sollten, verunglimpfen sie all jene mit Vehemenz, die ihren Zweifeln Ausdruck verleihen. Das führt nicht nur zur Unmöglichkeit einer vernünftigen Diskussion über 9/11, sondern verhindert auch offene Gespräche zu anderen heiklen Themen. Wer sich einmal zu seinen 9/11-Zweifeln bekannt und damit den Korridor verlassen hat, wird journalistisch irrelevant.

Weil sich der Mainstream weigert, offensichtlichen 9/11-Ungereimtheiten nachzugehen und auch nur den Hauch eines Zweifels an der offiziellen Darstellung zuzulassen, ist das Thema für politisch motivierte Extremisten besonders attraktiv. Diese machen denn auch einen beträchtlichen Teil der 9/11-Kritiker aus. Was wiederum den Mainstream in seiner «Augen zu»-Haltung bestärkt und je länger je mehr zur Überzeugung gelangen lässt, dass tatsächlich nur Spinner zweifeln. Ein Teufelskreis, der nicht zu durchbrechen ist. Wenigstens im Moment.

Lange habe ich gehofft, die wenigen Linken, die in den Medien in wichtigen Positionen verblieben sind, würden Themen wie 9/11 zum Durchbruch verhelfen. Weit gefehlt. Gerade Linke diffamieren sogenannte Verschwörungstheoretiker mit besonderer Härte. Woran das liegt, habe ich erst nach Jahren begriffen: Linken wird grundsätzlicher Anti-Amerikanismus vorgeworfen. Sie sind deshalb noch stärker als andere darauf bedacht, nicht anfällig zu sein für Verschwörungstheorien, die sich gegen die USA richten.

Leider sind diejenigen, die den Glauben an den Mainstream verloren haben und z.B. an 9/11 zweifeln, oft kein bisschen seriöser oder offener als diejenigen, die noch für bare Münze nehmen, was in der NZZ steht. Statt dem Mainstream glauben die «Zweifler» einfach Portalen wie InfoWars, dem Kopp-Verlag oder wem auch immer. Leider steht dort mindestens so viel politisch motivierter Mist, wie in der NZZ ­– mindestens.

Parallelwelten

So fällt die Bilanz nach 25 Jahren Internet und 15 Jahre nach 9/11 ernüchternd aus. Es haben sich Parallelwelten gebildet, man liest sich gegenseitig kaum noch, man glaubt sich kaum ein Wort. Kein Platz für Grautöne. Selbstverständlich spielt diese Entwicklung vielen in die Hände. Es war nie einfacher, die Mitglieder einer Glaubensgemeinschaft mit dem Stoff zu versorgen, den sie brauchen. Egal, ob es um Religion, Essgewohnheiten oder Politik geht.

Umso wichtiger wären Medien, die zeigen, dass sie anders sind als der leicht verführbare Bürger da draussen. Medien, die offen sind, die echt interessiert sind, die zuhören und hinterfragen würden sich wohltuend von all jenen abheben, die versuchen, noch lauter zu sein und noch endgültigere Wahrheiten zu kennen.

Eine echte Auseinandersetzung mit dem, was am 11. September 2001 passiert ist, könnte der erste Schritt zu einem neuen Selbstverständnis sein. Medienschaffende, die sich den Fragen stellen, die seit 15 Jahren gestellt werden müssten, würden viel verlorenes Vertrauen zurückgewinnen.

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