«Rundschau»: SRF-Propaganda
versus Assad-Propaganda

SRF fällt seit Längerem durch einseitige Berichterstattung auf, wenn es um Konflikte mit NATO/US-Beteiligung geht. Das ist nicht nur ein persönliches Gefühl, sondern der Eindruck vieler Zuschauer. Zudem ist die Einseitigkeit anhand von vier Sendungen wissenschaftlich belegt.

Viele dürften deshalb dem Interview von «Rundschau»-Moderator Sandro Brotz mit dem syrischen Machthaber Bashar al-Assad wenig optimistisch entgegengesehen haben. Und tatsächlich – SRF tat genau das, was man nicht tun soll: Einem Diktator eine Plattform geben, seine Äusserungen einseitig «widerlegen» und den Zuschauer ohne die nötigen Hintergrundinformationen im Regen stehen lassen.

Betrachten wir die «Rundschau»-Sendungsteile im Einzelnen:

Vorspann: Mit einer rund 8-minütigen Collage aus TV-Beiträgen der letzten Jahre versuchte SRF, dem Zuschauer einen Einblick in den bisherigen Verlauf des Kriegs zu geben. Es sind 8 Minuten, die auf Hintergrundinformationen komplett verzichten und die Rolle des Westens sowie der Saudis komplett ausblenden. 8 Minuten, die Zuschauern mit Vorwissen gar nichts bringen, Zuschauern ohne Vorwissen ebenso wenig. Man hätte diese Zeit besser genutzt, um nach dem Interview mit Assad vertieft auf dessen Aussagen einzugehen.

Interview mit Assad: Viele Journalisten billigen Sandro Brotz zu, sich gut geschlagen zu haben. Mir ist es ein Rätsel, wie man zu diesem Schluss kommen kann. Brotz wirkte hölzern, fast maschinell, er las seine Fragen oft ab, hakte kaum nach. Klar, es ist sicherlich nicht einfach, Assad in dessen Land, in dessen Fernsehstudio, vor dessen Leuten Paroli zu bieten. Aber: Brotz schienen schlicht der Mut und vor allem das Fachwissen zu fehlen, um an entscheidenden Punkten nachzufragen und Assad zu zeigen, dass dieses Interview mehr als eine Alibiübung ist.

Statt Assad sachlich zu widersprechen, versuchte sich Brotz mit der Tränendrüse. So fragte er den Machthaber, ob er den Kriegsverlauf am Familientisch mit seinen Kindern diskutiere. Und er zeigte ihm das Bild eines kriegsversehrten Jungen. Als ob es eine Rolle spielen würde, was Assads Kinder denken, als ob es neben Hunderttausenden von Toten eine Rolle spielen würde, ob das Foto des Jungen echt ist oder nicht.

So kam es wie es kommen musste: Assad erhielt Gelegenheit, praktisch unwidersprochen seine Sicht der Dinge darzulegen. Er tat dies selbstsicher und überzeugend, während Brotz einen überforderten Eindruck machte.

Interview mit Pelda: Nach der Extremposition Assads präsentierte SRF einen zweiten Mann mit pointierten Ansichten. Der Schweizer Journalist Kurt Pelda ist zwar einer der wenigen, die sich immer wieder ins Kriegsgebiet wagen. Er ist aber auch bekannt dafür, dezidiert pro Militärinterventionen und pro NATO/USA Stellung zu beziehen. Und genau das tat er im Interview mit Susanne Wille. Er warf Assad vor, Punkt für Punkt zu lügen. Keine Rede davon, dass die Urheberschaft der diversen Giftgas-Anschläge stark umstritten ist. Keine Rede davon, dass die Einmischung des Westens in diesen Konflikt ohne UNO-Mandat illegal ist und als Verbrechen taxiert werden muss (gilt für Russland nur bedingt, da von Assad «eingeladen»). Keine Rede davon, wer die Rebellen sind, wer sie aufgebaut, ausgebildet und finanziert hat (1, 2, 3, 4). Im Gegenteil: Pelda ging sogar soweit, die syrischen Rebellen indirekt mit Nelson Mandela und dessen Widerstand gegen das Apartheid-Regime in Südafrika zu vergleichen …

Interview mit Weber: Susanne Wille interviewte auch noch kurz SRF-Nahost-Korrespondent Pascal Weber. Ihm blieb es vorbehalten, die Rolle des Westens in der Destabilisierung der Region seit den 1950er-Jahren zu erwähnen. Auch er ging aber nicht darauf ein, wer die Leute sind, die heute gegen Assad kämpfen, wer sie finanziert und mit Waffen ausrüstet.

Fazit: Mit den Meinungen von Assad und Pelda trafen zwei Positionen aufeinander, die nicht weiter auseinander liegen könnten. SRF liess es dabei bewenden (abgesehen vom Kurzinterview mit Weber), was schlicht unprofessionell ist. Es entsteht der Eindruck, dass es nicht darum ging, die Aussagen Assads kritisch einzuordnen, sondern so einfach als möglich zu «widerlegen». Es entsteht der Eindruck, dass SRF einmal mehr Propaganda betreibt.

Richtig wäre gewesen, die Chance eines Assad-Interviews für eine breite Analyse des Konflikts zu nutzen. Will heissen: Mehrere Experten, unterschiedliche Standpunkte, verschiedene Diskussionsfelder. Nur so hätte SRF dem Zuschauer die Möglichkeit gegeben, sich einen einigermassen fundierten Eindruck der Aussagen Assads zu verschaffen.

Richtig wäre gewesen, nicht Brotz zu Assad zu schicken, sondern jemanden, der bezüglich Syrien Fachwissen hat, jemanden, der Assad kontern kann, ohne vorbereitete Texte vom Papier abzulesen. Jemand wie Ulrich Tilgner hätte Assad vis-a-vis sitzen müssen.

Apropos Brotz: Journalismus soll nie Selbstzweck sein. Will heissen: Wenn SRF nach Syrien reist und Assad interviewt, muss das Ziel Erkenntnisgewinn sein, für den Journalisten und für sein Publikum. Brotz sieht das weniger eng. Auf Facebook schreibt er:

Es wäre naiv gewesen, zu glauben, mit Bashar al-Assad wäre ein echtes Gespräch über seine Verantwortung möglich gewesen. Das war auch nicht unser Antrieb, mit ihm ein Interview zu führen. Der Mann ist ein mutmasslicher Kriegsverbrecher. Aber manchmal sind die Fragen wichtiger als die Antworten. Denn im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst. Umso wichtiger ist es, kritisch nachzufragen.

Das klingt, als sei es in erster Linie um Selbstdarstellung gegangen. Oder glaubt Brotz, ein Mann wie Assad lasse sich durch die Fragen eines Schweizer Journalisten beeinflussen? Glaubt Brotz, Assad habe diese Fragen nicht schon hundertfach gehört? Immerhin: Brotz schafft es, in seinen Facebook-Text das Wort «mutmasslich» einzubauen. Ansonsten ist bei ihm und SRF von einer ergebnisoffenen Haltung wenig zu spüren.

Was bleibt von dieser vertanen Chance zurück? Offenbar auch bei Brotz wenig:

Für mich ganz persönlich eine Begegnung mit einem Bäcker in der Altstadt von Damaskus. Er wollte partout nicht, dass ich ihm Geld für sein Brot gab und hat es mir geschenkt. Jene, die am wenigsten haben, geben am meisten. Weil sie müde vom Krieg sind. Und wohl auch von ihrem zynischen Herrscher.

Müde sind auch wir ­– von Journalisten, die es nicht schaffen, ihre Scheuklappen abzulegen und ein Thema wie den Syrienkrieg sorgfältig und objektiv anzugehen.

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