Christian Mensch:
ein Orthodoxer auf Ketzerjagd

Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Jahr für Jahr, wenn der 9/11-Jahrestag ansteht, überbieten sich Journalisten mit ihren Schmähartikeln gegen jeden, der den USA und den Resultaten ihrer «Untersuchungen» nicht blindlings vertraut. Und Jahr für Jahr verschwendet der Grossteil der Medien keine Zeile an all die Fakten, die der offiziellen Darstellung widersprechen.

Der 18. Jahrestag macht leider keine Ausnahme. Trotzdem ist er erwähnenswert. Zum einen, weil es dieses Jahr durchaus interessante Aktualität zu vermelden gegeben hätte (wie es z.B. watson.ch in einem kurzen Artikel getan hat) – was das grosse Schweigen umso schlimmer macht. Zum anderen, weil wir in Sachen Diffamierungsjournalismus ein Highlight lesen durften. Christian Mensch, langjähriger Beobachter der Schweizer Medienszene und Kommentator in den Blättern von CH Media, hat neue Massstäbe gesetzt in Sachen Nonsense über Verschwörungstheorien und 9/11. Sein Text «Die Häretiker der Neuzeit: Daniele Ganser und die Liebe zur Verschwörungstheorie» kann ohne Übertreibung als das logikfreiste, um nicht zu sagen dümmste Stück bezeichnet werden, das ich in den vergangenen 18 Jahren gelesen habe. Und, glauben Sie mir, die Messlatte liegt hoch.

Schon der Untertitel zeigt, dass es Christian Mensch nur um Diffamierung geht:

Verschwörungstheoretiker feiern den Jahrestag von 9/11.

Leuten, die die Ermordung von 3000 Menschen bzw. den Grund für nachfolgende Kriege mit Millionen Toten hinterfragen bzw. untersuchen, zu unterstellen, sie würden «feiern», ist schlicht perfid. Ein Grund zum Feiern wäre, würden sich auch Journalisten etablierter Medien endlich um Fakten kümmern, statt Stumpfsinn zu verbreiten.

Viel interessanter ist für Christian Mensch aber Hobbypsychologie. Er schreibt:

Sie (die Verschwörungstheoretiker) nutzen bestehende Ungereimtheiten, um sich ihre eigene Wahrheit zurecht zu legen. Sie bauen Verschwörungskonstrukte, um die damit verbundenen, eigenen Ungereimtheiten zu kaschieren.

Was bitte soll das heissen? Will Christian Mensch sagen, wir würden 9/11 hinterfragen, weil wir persönliche Probleme haben, die mit 9/11 zusammenhängen? Oder will er sagen, wir würden Konstrukte bauen, weil es uns nicht reicht, auf die Ungereimtheiten aufmerksam zu machen? Keine Ahnung. Sinnloser geht es jedenfalls nicht mehr.

Immerhin: Sogar laut Christian Mensch gibt es «Ungereimtheiten». Aber: Statt sich mit diesen zu beschäftigen, versucht Christian Mensch der «Literatur» über 9/11 und Verschwörungstheoretiker einen neuen Twist zu geben. Er versucht krampfhaft, originell zu sein und verrennt sich dabei total. Er bezeichnet Verschwörungstheoretiker als «Häretiker der Neuzeit» und widerspricht sich bereits in der Beschreibung dessen, was Häretiker sind:

In der vormodernen, religiösen Welt waren es Häretiker, die sich in Abgrenzung zur Orthodoxie ihren eigenen Glauben zimmerten.

Häretiker säumen die Kirchengeschichte seit den frühesten Anfängen. Sie entwarfen für sich nicht eine eigene Religion, sie arbeiteten sich vielmehr an der herrschenden ab.

Was jetzt, Herr Mensch? Und: Das klingt so, als hätten die Häretiker etwas hinterfragt, das eine reine Glaubensfrage war. Das klingt, als hätten sie getan, was aufgeklärte Menschen, Wissenschaftler und Journalisten tun sollten.

Ob sein Vergleich sinnvoll ist oder nicht, kümmert Christian Mensch nicht. Hauptsache, es tönt gut. Er schreibt:

Daniele Ganser, der Schweizer Vorredner der Verschwörungstheoretiker, hat den prototypischen Weg eines neuzeitlichen Häretikers zurückgelegt. Er war zwar nicht in einem Priesterseminar, bevor er sich mit kruden Glaubenstheorien zunächst die Abgrenzung und zunehmende die Ausgrenzung der Kirche einhandelte.

Er war jedoch Historiker, der zunächst eine ordentliche universitäre Laufbahn einschlug, bevor er sich, zunehmend unfähig zum wissenschaftlichen Diskurs, daraus hinauskapitulierte.

Ein Blick in Wikipedia zeigt, wie sehr Menschs Vergleich hinkt. Laut der Enzyklopädie ist Häresie «im engeren Sinn eine Aussage oder Lehre, die im Widerspruch zu kirchlich-religiösen Glaubensgrundsätzen steht.» Häretiker waren also jene, die krude offizielle Glaubens(verschwörungs)theorien hinterfragt haben. Nicht umgekehrt.

Zudem: Christian Mensch setzt den Staat USA und seine 9/11-Berichte mit der katholischen Kirche und ihrer Doktrin gleich. Ungewollt landet er damit einen Volltreffer. Denn die offizielle 9/11-Darstellung der USA ist genau das: Eine Glaubensfrage. Gerichtstaugliche Beweise gibt es bis heute keine, wie u.a. der immer wieder verschobene Prozess gegen die Hauptverdächtigen in Guantanamo zeigt (1, 2, 3).

Auch bezüglich der Laufbahn von Daniele Ganser ist das Gegenteil dessen richtig, was Mensch schreibt: Ganser versuchte, 9/11 in den wissenschaftlichen Diskurs zu integrieren und wurde deshalb aus der Wissenschaftswelt ausgeschlossen.

Mit Blabla geht es weiter:

Häretische Gemeinden im Mittelalter haben zusammengefunden, um sich gegenseitig im Glauben zu bestärken und sich zu versichern, dass nicht sie, sondern die Orthodoxie dem Irrglauben verfallen sei.

Die Häretiker haben also das getan, was alle Gleichgesinnten tun: Sie haben sich getroffen. Und zumindest bezüglich Orthodoxie lagen sie genau richtig.

Die häretische Gemeinde der 9/11-Verschwörungsanhänger trifft sich morgen Mittwoch etwa im Zürcher Volkshaus zur Andacht in moderner Form einer Tagung, an der ihre Wahrheit von 9/11 zelebriert wird.

«Andacht», «zelebrieren», «ihre Wahrheit» – Christian Mensch geht es nur um Diffamierung. Er macht das, was Gläubige machen, weil sie eben glauben und keine handfesten Argumente haben. Gegen Ende seines Texts sieht er sich sogar bemüssigt, Tipps zu geben, wie mit den Ungläubigen umgegangen werden soll. Er schreibt:

Wie mit Häresien umgegangen werden soll, ist ein Dauerthema der Kirchengeschichte.

(…)

Kluge Kirchenführer haben Häresien ernst genommen, weil sie die Grundfesten des gemeinsamen Glaubens angreifen. Sie haben sie aber nicht zusätzlich wichtig gemacht, indem sie sie mit aller Härte verfolgten.

Genau. Übersetzt heisst das: Journalisten wie Christian Mensch schreiben gegen 9/11-Kritiker an, weil diese die Grundfesten des gemeinsamen 9/11-Glaubens angreifen. Was wohl so ziemlich das Letzte ist, was Christian Mensch eigentlich sagen wollte.

Mit einem weiteren Höhepunkt in Sachen Logik beendet er seinen Text:

Moderne Häresien wie die «9/11-Truther»-Bewegung» verdienen Beachtung, weil sie Spaltpilze der Gesellschaft sind. Wenn sie gedeihen, ist dies Ausdruck davon, dass die herrschende Ordnung zu viele Fragen offenlässt. Sich mit ihnen aber etwa in einen Twitter-Fight zu verstricken, ist doppelt kontraproduktiv. Zum einen wird damit nicht eine offene Frage geklärt. Zum anderen ist es diese Bestätigung, die Häresien erst erstarken lassen.

Die herrschende Ordnung – in diesem Fall 9/11 – lässt also zu viele Fragen offen. Aber selbst zu viele offene Fragen soll man laut Christian Mensch nicht hinterfragen, man soll Leuten, die sich um diese Fragen kümmern, keine Plattform geben. Weshalb bloss?

Dafür sind die Terroranschläge vor 18 Jahren aber ein zu tragisches Ereignis.

Aha. Es dürfen also nur Ereignisse hinterfragt bzw. untersucht werden, die nicht allzu tragisch sind. Mensch Mensch: Das ist Logik für Fortgeschrittene!

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